Selber schuld?

    Menschen sehen soziale Ausgrenzung bei andern unterschiedlich – je nachdem wie sehr ihrer Meinung nach die ausgeschlossene Person selbst schuld daran ist. Dies wiederum wird stark davon beeinflusst, wie ähnlich die Gruppenmitglieder untereinander sind, wie ein Forschungsteam der Universität Basel in der Fachzeitschrift «Journal of Personality and Social Psychology» schreibt.

    (Bild: Uni Basel / Christiane Büttner) Wie Aussenstehende soziale Ausgrenzung sehen, hängt davon ab, wie ähnlich die Mitglieder einer Gruppe untereinander sind.

    Die meisten haben schon einmal soziale Ausgrenzung erlebt, sei es in der Schule, bei der Arbeit oder im Freundes- und Familienkreis, als Betroffene oder als Beobachtende. Auch unbeteiligte Zuschauer lässt Ausgrenzung häufig nicht kalt: Wenn eine Gruppe aus Gemeinheit oder aus selbstsüchtigen Gründen jemanden ausschliesst, bewerten andere dies meist als sehr negativ und unfair.

    Moralische Urteile
    Aussenstehende können Ausgrenzung jedoch auch als gerechtfertigt bewerten, beispielsweise wenn sich die betroffene Person zuvor stark unangemessen verhalten oder für Unruhe in der Gruppe gesorgt hat. Ein solches moralisches Urteil richtig zu treffen, fällt jedoch oft schwer, denn Unbeteiligten fehlen Hintergrundinformationen.

    Ein Forschungsteam der Universität Basel unter Leitung der Psychologin Dr. Selma Rudert hat nun in fünf Studien erforscht, von welchen Hinweisen sich Menschen in solchen Urteilssituationen beeinflussen lassen. Die Vermutung lautete dabei, dass die Ähnlichkeit innerhalb der beobachteten Gruppe für die Aussenstehenden besonders wichtig ist. Die Zahl der Probanden bewegte sich je nach Studie zwischen 30 und 57.

    Draussen wegen Anderssein
    Ergebnis: Tatsächlich empfinden es Menschen eher als ungerecht, wenn jemand ausgeschlossen wird, der sich von anderen sichtbar unterscheidet. Sie nehmen nämlich an, dass diese Person nur ausgegrenzt wird, weil sie anders ist. Unterscheidet sich dagegen die ausgeschlossene Person äusserlich nicht von der Gruppe, wird eher vermutet, dass sie sich den Ausschluss durch irgendein Fehlverhalten «selbst eingebrockt» hat.

    Konkret zeigten die Forschenden den Probanden unterschiedliche Ausgrenzungssituationen, so etwa in einer fiktiven Chat-Diskussion, bei der drei Studierende eine Präsentation besprachen. Die etwas eigensinnigen Ideen und Vorschläge eines der Studierenden wurden dabei von den anderen beiden regelmässig ignoriert. Wenn nun die ausgegrenzte Person «anders» war als sie beiden Ausgrenzenden – zum Beispiel punkto Hautfarbe oder Heimatland –, bewerteten Beobachtende diesen Ausschluss von aussen als ungerecht. Sie waren ärgerlich auf die beiden Ausgrenzenden und bewerteten diese als schlechte Kooperationspartner.

    Waren sich die Gruppenmitglieder jedoch einigermassen ähnlich – indem beispielweise alle aus demselben Land stammten –, änderte sich das Urteil der Aussenstehenden: In diesem Fall bewerteten diese die ausgegrenzte Person als negativ, schrieben ihr die Schuld am Ausschluss zu und wollten nichts mit ihr zu tun haben.

    Auch oberflächliche Hinweise zählen
    Weiter fand das Forschungsteam, dass die Ähnlichkeit das soziale Urteil auch dann beeinflusst, wenn die Ähnlichkeit nur oberflächlich besteht, etwa weil die ausgegrenzte Person eine andere Frisur hat. Dies spricht dafür, dass Menschen die Ähnlichkeit der beobachteten Gruppe eher unbewusst in ihr moralisches Urteil mit einfliessen lassen.

    «Die Untersuchungen sind wichtig für Themen wie Mobbing und Ausgrenzung in der Schule oder am Arbeitsplatz», sagt Rudert. Denn wenn sich Menschen zu stark von oberflächlichen Hinweisen leiten und dabei tatsächliche Informationen ausser Acht lassen, könne es schnell zu Fehlurteilen mit gravierenden Konsequenzen kommen. Erhalten unschuldig Ausgegrenzte keine Unterstützung von anderen, verstärkt sich ihre Isolation weiter. «Im Idealfall sollte man daher immer versuchen», so Rudert, «die ganze Geschichte hinter einer Ausgrenzung zu verstehen, bevor man sich zu einem schnellen Urteil hinreissen lässt.»

    pd

    Vorheriger ArtikelDebatte zum Fremdsprachenkonzept bleibt heiss
    Nächster ArtikelEs drohen sogar Bussen bis zu 40’000 Franken