«Wir sollten Anreize schaffen, im Alter weiterzuarbeiten»

    Die Jungfreisinnigen haben im Sommer die Renteninitiative lanciert und sind nun fleissig am Unterschiften sammeln – bis am 16. Juli 2021 benötigen sie 100’000 Unterschriften. Die Renteninitiative will mittelfristig das Rentenalter 66 für beide Geschlechter und langfristig eine Koppelung des Rentenalters an die Lebenserwartung. Damit sollen die Renten der Zukunft gesichert werden. Im Komitee sitzt auch der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen. Hier im Interview erklärt er die Gründe wieso es sich lohnt, sich auf dem Unterschriftenbogen einzutragen, um so gemeinsam für eine langfristige stabile Finanzierung der Altersvorsorge einzustehen. 

    (Bild: zVg) Der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen zur Renteninitiative: «Wir wollen niemandem etwas wegnehmen und setzen richtigerweise auf ein leicht erhöhtes Rentenalter.»

    Die finanzielle Schieflage der AHV lässt sich nicht mehr länger schönreden. Die AHV21 sieht unter anderem vor, das Rentenalter flexibler zu gestalten und die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Aus Sicht der FDP und der Jungfreisinnigen reichen diese Massnahmen bei Weitem nicht aus. Wieso sind diese aus Ihrer Sicht lediglich ein Tropfen auf den heissen Stein?
    Christian Wasserfallen: Wir haben ein grundlegendes Problem, die Vorlage AHV21 reicht nicht: Vor 60 Jahren finanzierten rund sechs Erwerbstätige die Rente einer Person. Heute sind es lediglich noch 3,4 Erwerbstätige. In 30 Jahren werden weniger als zwei Erwerbstätige eine Person in Rente finanzieren. Schon im letzten Jahr schrieben wir 1 Milliarde minus und im Jahr 2045 werden es gegen 16 Milliarden sein. Wir müssen handeln.

    Von den drei Ansatzpunkten, um die AHV wieder auf stabile Beine zu stellen, sind für Sie das Senken der Renten sowie das Steuern erhöhen keine Option. Was stört Sie daran?
    Wir werden immer älter und das zum Glück bei guter Gesundheit. Bei der letzten Abstimmung über die Sanierung der AHV hat mich eine Person im Rentenalter beeindruckt: Sie fragte ganz einfach, warum man ihr quasi verbieten würde zu arbeiten. Sie sei gesund, wolle arbeiten, das Rentenalter verunmögliche es jedoch. Das ist ein breites Phänomen. Wir sollten Anreize schaffen, im Alter weiterzuarbeiten. Renten senken ist nicht ehrlich, weil man den Leuten versprochen hat, dass sie Renten in einer gewissen Höhe erhalten sollen.

    Sie möchten schrittweise das Rentenalter erhöhen. Dazu haben Sie die Renteninitiative lanciert. Was ist das Ziel der Initiative?
    Die Initiative hat zwei Schritte: Erstens wollen wir das Rentenalter massvoll für beide Geschlechter auf 66 Jahre erhöhen. Dann haben wir ein gleiches Rentenalter beider Geschlechter. Nachher soll sich das Rentenalter an der Lebenserwartung orientieren, wobei pro Jahr das jeweilige aktuelle Rentenalter maximal um zwei Monate angepasst werden darf. Fünf Jahre vor der Pension wissen die Leute dann genau, wann sie ihr Rentenalter erreichen.

    (Bild: pixabay) Eile statt Weile für unsere AHV: Die Jungfreisinnigen Schweiz wollen mit ihrer Renteninitiative die Renten von morgen sichern.

    Konkret möchten Sie das Rentenalter mit der Lebenserwartung verknüpfen. Wie soll das funktionieren?
    Das Rentenalter steigt automatisch und passt sich der Lebenserwartung an. Wir dämpfen den Anstieg so, dass er nicht 1:1 eingerechnet wird, sondern nur um den Faktor 0.8. Erhöht sich die Lebenserwartung also bis 2050 beispielsweise um zwei Jahre, würde das Rentenalter lediglich um 19 Monate ansteigen. Dies als Kompensation, da wir ja nicht das ganze Leben lang im Erwerbsleben sind.

    Fast alle westeuropäischen Ländern erhöhen das Rentenalter bis 2030 auf 67 bis 68 Jahre, um ihre Altersvorsorge zu sichern. Wieso hat die Schweiz diese strukturellen Reformen noch nicht umgesetzt?
    Wir sind politisch blockiert. Seit mehreren Jahrzehnten sind fast sämtliche Revisionen der Sozialwerke gescheitert. Sie litten alle am Gleichen: Entweder wollte man die Renten zu stark senken oder es gab sogar noch unfinanzierbare Ausbaupläne, wie bei der letzten Vorlage mit der Giesskanne von 70 Franken pro Rentner. Es ist an der Zeit eine ausbalancierte Vorlage aus Kreisen der Bevölkerung zu unterbreiten, was die Renten-Initiative will.

    Renten-Alter-Erhöhungen sind unbeliebt. Bereits die kleine Erhöhung des Frauenrentenalters von 64 auf 65 wurde mit der Abstimmung über die Altersvorsorge 2020 an der Urne abgelehnt. Nun versuchen Sie erneut eine «Heilige Kuh» zu schlachten. Welche Chance auf Erfolg sehen Sie da?
    Die Altersvorsorge 2020 ist nicht wegen der Anhebung des Rentenalters der Frauen gescheitert, sondern wie angetönt aufgrund des unnötigen Ausbaus der Renten von 70 Franken. Die Leute werden unsere Initiative unterstützen, weil wir niemandem etwas wegnehmen und richtigerweise auf ein leicht erhöhtes Rentenalter setzen. Dafür sind alle Generationen sicher, dass sie überhaupt noch eine Rente erhalten. Es betrübt mich, dass heute gerade junge Menschen gar nicht mehr mit einer Rente rechnen – das wollen wir ändern.

    Gegner einer Erhöhung des Rentenalters argumentieren, dass Beschäftigte auf dem Bau nicht bis 66 arbeiten können, und dass heute schon Ü55 keine Arbeit mehr finden!
    Die Wirtschaft wird die nötigen Arbeitsplätze anbieten können. Die Zeit, um jetzt Reformen umzusetzen ist günstig. Die Baby­boomer Generation geht in Rente (ca. 1 Mio. Leute in zehn Jahren). Es kommen aber nur rund 700’000 neue Arbeitskräfte dazu. Das kommt uns entgegen. Eine solide Wirtschaft hilft sehr, dass wir die dringend benötigte Sozialwerksrevision anpacken können. Gleichzeitig können Beschäftigte auf dem Bau mit der FAR-Lösung bereits heute mit 60 Jahren in Pension gehen. Solche Ausnahmen müssen auch künftig dort umgesetzt werden, wo es Sinn macht.

    Sie müssen bis am 16. Juli 2021 100’000 Unterschriften zusammen haben. Ist das ein realistisches Ziel, haben Sie schon Feedback bekommen?
    Wir sind natürlich noch ein ganzes Stück von unserem Ziel entfernt. Auch Ihre Unterschrift, liebe Leserinnen und Leser, wird helfen, die nötige Anzahl zu erreichen. Unterschreiben Sie doch den Unterschriftenbogen oder schauen sie auf www.renten-sichern.ch vorbei. Merci bestens.

    Interview: Corinne Remund


    Jetzt die AHV sichern

    Das will die Eidgenössische Volksinitiative «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)»:

    Drei Schritte für eine sichere und nachhaltige AHV:

    1. Gleiches Rentenalter für Mann und Frau bis 2032: Indem wir das Rentenalter für Frauen um 2 Monate pro Jahr stärker erhöhen als dasjenige der Männer, beheben wir die heutige Ungleichbehandlung der Geschlechter bis 2032.
    2. Rentenalter 66 bis 2032: Die Schweiz hat es bisher verpasst, strukturelle Reformen umzusetzen. Fast alle anderen westeuropäischen Länder haben dies getan und erhöhen das Rentenalter bis 2030 auf 67 bis 68 Jahre, um ihre Altersvorsorge zu sichern. Wir gehen nicht ganz so weit: Mit einer Erhöhung des Rentenalters um 2 Monate pro Jahr holen wir aber Verpasstes nach und erreichen Rentenalter 66 bis 2032.
    3. Verknüpfung des Rentenalters mit der Lebenserwartung: Weil wir immer länger leben, müssen wir auch ein wenig länger arbeiten, damit die AHV nachhaltig finanziert bleibt. Viele westeuropäische Länder haben deswegen das Rentenalter mit der Lebenserwartung verknüpft. Das Rentenalter steigt so zum Beispiel in Holland, Dänemark oder Italien auf über 70 Jahre bis 2050. Wir gehen nicht ganz so weit. Mit unserer Lösung wird das Rentenalter um ungefähr einen Monat pro Jahr ansteigen und 2050 ca. 67,5 Jahre betragen. Wir sichern so unsere Renten langfristig!

    Mehr Infos unter: www.renten-sichern.ch

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